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Emily Edlynn: „Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind grundlegende Bedürfnisse – auch und gerade bei Kindern!“

Emily Edlynn: „Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind grundlegende Bedürfnisse – auch und gerade bei Kindern!“

Artikel: Emily Edlynn: „Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind grundlegende Bedürfnisse – auch und gerade bei Kindern!“

Emily Edlynn: „Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind grundlegende Bedürfnisse – auch und gerade bei Kindern!“

Die erfahrene Kinder- und Jugendpsychologin im Interview

„Wir müssen akzeptieren, dass wir keine Garantie haben, dass unsere Kinder vor allen Gefahren geschützt sind. Aber wenn wir eine offene Kommunikation und ein Gefühl der Selbstständigkeit beim Kind fördern, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie auf riskante Weise rebellieren. Wir schützen unsere Kinder also mehr, wenn wir sie in ihrer Autonomie unterstützen, anstatt sie zu kontrollieren. Dazu gehört auch, dass wir unsere Kinder als würdig und fähig ansehen, eine eigene Meinung und Stimme zu haben.“ Die Kinder- und Jugendpsychologin Emily Edlynn, Autorin des Ratgebers „Kinder brauchen Flügel, keine Helikopter!“ (Orig. „Autonomy-Supportive Parenting“), hält es für entscheidend, Kinder zu mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu ermutigen, damit sie zu mündigen, glücklichen Erwachsenen heranwachsen. „Autonomie-fördernde Erziehung hat sowohl für die Kinder als auch für die Eltern Vorteile: Während die Kinder ein besseres Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit entwickeln, haben die Eltern mehr Freiheit und Zeit für sich selbst.“

Im englischen Original lautet der Titel Ihres Erziehungsratgebers „Autonomy-Supportive Parenting“, zu Deutsch „Autonomie-fördernde Erziehung“. Was ist das Besondere an diesem Ansatz, und wie unterscheidet sich dieses Konzept von anderen Erziehungsmethoden? 

Emily Edlynn: Autonomie-fördernde Erziehung ist kein Rezept dafür, was man tun oder nicht tun soll. Es ist eine Denkweise, ein flexibler Rahmen, um einen Erziehungsstil zu entwickeln, der zu Ihnen und Ihrer Familie passt und gleichzeitig das Gefühl der Selbstständigkeit des Kindes in den Mittelpunkt stellt. 

Oft neigen Eltern dazu, in die Rolle von „Helikoptern“ zu schlüpfen, indem sie jedes Problem ihrer Kinder lösen wollen und sprichwörtlich über ihrem Alltag kreisen. Woher stammt diese weitverbreitete Form der Erziehung, und was bewirkt sie bei unseren Kindern? 

Emily Edlynn: Woher das „Helikoptern“ kommt, weiß ich nicht genau, aber meine Theorie ist, dass Eltern durch die Medien von angstbasierten Botschaften über mögliche Gefährdungen von Kindern umgeben sind. Als Eltern sind wir fest darauf programmiert, unsere Kinder zu schützen, aber wir überinterpretieren die Bedrohung in der Welt unserer Kinder. Stress beispielsweise ist keine Bedrohung für das Wohlbefinden eines Kindes – er ist für seine Entwicklung sogar unerlässlich! Solange Kinder körperlich und seelisch in Sicherheit sind, müssen wir sie Schwierigkeiten und Herausforderungen erleben lassen, damit sie Selbstvertrauen und Fähigkeiten erwerben.

Helikopter-Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind – wie ein Helikopter „kreisen“ sie über ihm, sehen jede Schwierigkeit und Herausforderung voraus und wollen alle Hindernisse aus dem Weg räumen ... logisch, dass die Kinder selbst entweder passiv werden und sich unmündig und unfähig fühlen oder aber gegen die ständige Kontrolle massiv rebellieren.

Das Gegenmodell zum überfürsorglichen Verhalten setzt auf Vertrauen statt Kontrolle. Welche Vorteile hat die Autonomie-Förderung für Kinder und Eltern, und gibt es auch Situationen, in denen Kontrolle doch besser ist als Vertrauen? 

Emily Edlynn: Die Vorteile der Förderung von Autonomie liegen für beide Seiten darin, dass die Kinder kompetenter werden und mehr Vertrauen in sich selbst haben; das hilft ihnen, ein starkes Gefühl für sich selbst und die eigene Handlungsfähigkeit in der Welt zu entwickeln. All dies bedeutet, dass Eltern weniger für ihre Kinder tun, die selbst mehr tun können – was den Eltern auch mehr Autonomie in ihrem eigenen Leben gibt. Wenn Eltern weniger „erziehen“, haben sie mehr Freiheit und Zeit. Natürlich gilt: Wenn ein Kind ein Muster von schlechtem Urteilsvermögen und einen Hang zu riskantem Verhalten zeigt, das es in Gefahr bringt, dann braucht es mehr Grenzen, um sicher aufzuwachsen. Ich würde das aber immer noch nicht als Kontrolle bezeichnen, sondern als feste Struktur. 

Sie sind nicht nur eine erfahrene Kinderpsychologin und Erziehungsexpertin, sondern auch selbst dreifache Mutter. Wie hat Ihr Familienleben dazu beitragen, einen Erziehungsratgeber zu verfassen, und wie lässt sich das Konzept im Alltag umsetzen?

Emily Edlynn: Seit ich dieses Buch geschrieben habe, bin ich als Mutter viel selbstbewusster und zufriedener geworden, weil ich die Vorteile des Autonomie-fördernden Ansatzes erkannt habe. Meine Kinder und wir (ihre Eltern) hatten häufig Konflikte. Als ich erkannte, dass eine der Hauptursachen für diese Auseinandersetzungen darin lag, dass sie sich kontrolliert fühlten, begann ich, einige der Strategien anzuwenden, um ihr Einfühlungsvermögen und ihren Sinn für Eigenverantwortung zu stärken. Ich verwende eine flexiblere Sprache, fordere meine Kinder auf, Aufgaben zu erledigen, anstatt sie zu bitten, und wir haben sehr feste und klare Grenzen für Verhaltensweisen, die wir ihnen auch erklären. Kurz gesagt: In unserer Familie gibt es viel offene Kommunikation und Zusammenarbeit, während wir als Eltern die Autorität behalten. Wir sehen unsere Kinder nicht als gleichberechtigt mit uns Erwachsenen an, aber halten sie für würdig und fähig, eine eigene Meinung und Stimme zu haben und auf sinnvolle Weise zu unserer Familie beizutragen. 

Kinder brauchen und schätzen klare Strukturen und akzeptieren Regeln und Grenzen, wenn sie erklärt werden. Innerhalb dieses Rahmens sind sie durchaus in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen, und erwerben auf diese Weise ein wichtiges Maß an Selbstvertrauen und Eigenverantwortung.

Kinder, die ein hohes Maß an externer Kontrolle erfahren, weisen ein höheres Risiko für Drogenmissbrauch sowie für kriminelles und oppositionelles Verhalten auf. Welche Möglichkeiten haben Eltern, ihre Kinder vor diesen Gefahren zu schützen? 

Emily Edlynn: Zunächst einmal müssen wir akzeptieren, dass wir keine Garantie haben, dass unser Kind vor allen Gefahren geschützt ist. Das Leben ist keine risikolose Erfahrung. Aber wir können unsere Kinder ermutigen, mit uns über ihre Probleme zu sprechen, uns um Rat zu fragen und sogar über unsere Regeln zu diskutieren, anstatt so zu tun, als würden sie sie befolgen, und sich dann davonzuschleichen. Wenn wir eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit fördern, fühlen sie sich nicht so kontrolliert. Und wenn Kinder sich nicht kontrolliert fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie auf riskante Weise rebellieren. Wir schützen unsere Kinder also mehr, wenn wir sie in ihrer Autonomie unterstützen, anstatt sie zu überwachen. 

 

Viele der von Ihnen beschriebenen Erlebnisse, Fallbeispiele und Begrifflichkeiten – insbesondere in Sachen Bildungssystem – beziehen sich auf die Lebenswelt in den USA, lassen sich aber auf alle westlichen Gesellschaften übertragen. Welche Erfahrungen machen Sie mit Familien, deren Werte von einem anderen kulturellen Hintergrund geprägt sind?

Emily Edlynn: Eine der bereicherndsten Erfahrungen, die ich während meiner Buchtournee gemacht habe, war das Gespräch mit einer großen Gruppe von muslimischen Müttern, die in die Vereinigten Staaten eingewandert waren. Dabei entdeckte ich, wie gut sie das menschliche Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Autonomie verstanden. Selbst mit einem nicht-westlichen kulturellen Hintergrund wussten diese Eltern, wie wichtig es ist, dass sich ihre Kinder verstanden und wertgeschätzt fühlen. Das ist es, was Autonomie-fördernde Strategien unterstützen, und es sind in der Tat grundlegende menschliche Bedürfnisse, unabhängig vom kulturellen Hintergrund.

Buch-Tipp:

Emily Edlynn: Kinder brauchen Flügel, keine Helikopter! Der stressfreie Weg zu glücklichen, selbstständigen Kindern. Autonomy-Supportive Parenting – das erfolgreiche Erziehungskonzept. Mankau Verlag, 1. Aufl. November 2024, Klappenbroschur, 13,5 × 21,5 cm, 355 S., 22,00 € (D) | 22,70 € (A), ISBN 978-3-86374-731-2

Link-Empfehlungen:

Mehr Informationen zum Buch „Kinder brauchen Flügel, keine Helikopter!“
Zur Leseprobe im pdf-Format
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