"Wenn der "Zucker" das Leben bitter zu machen droht..."
"Wenn der "Zucker" das Leben bitter zu machen droht..."
Interview mit dem Allgemeinarzt und Ratgeber-Autor Dr. med. Eberhard J. Wormer
„Diabetes-Erkrankungen vom Typ 2 nehmen in alarmierendem Maße zu. Sie gehen Hand in Hand mit einem ungesunden Lebensstil, einem Mix auf Übergewicht, falscher Ernährung und Bewegungsmangel. Sogar Kinder sind immer häufiger betroffen. Daher ist es gut zu wissen, wie man einem Diabetes vorbeugen kann oder im Falle der Erkrankung durch sinnvolle Änderungen des Lebens- und Ernährungsstils seinen Zuckerstoffwechsel wirkungsvoll kontrollieren kann.“
Dr. med. Eberhard J. Wormer, Autor des Kompakt-Ratgebers „Diabetes“, vermittelt das nötige Hintergrundwissen und konkrete Selbsthilfemaßnahmen bei Diabetes, damit Betroffene weiterhin ihr Leben voll genießen können.
Diabetes mellitus ist zwar seit dem Altertum bekannt, doch hat sich diese Störung des Zuckerstoffwechsels heute zu einer Volkskrankheit entwickelt, die sich geradezu epidemisch ausbreitet. Was sind die Gründe dafür?
Dr. med. Wormer: Grund hierfür ist ganz klar ein falscher Lebensstil, gekennzeichnet durch Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und Übergewicht.
Die Medizin unterscheidet verschiedene Typen des Diabetes. Welche sind dies, und mit welchen Symptomen äußert sich die Erkrankung?
Dr. med. Wormer: Diabetes mellitus Typ 1 und 2 sind die wichtigsten Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es den Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) und weitere Diabetesformen, die allerdings sehr selten vorkommen. Menschen mit Diabetes Typ 1 leiden an einer Autoimmunerkrankung, die durch eine Störung des Immunsystems verursacht wird. Im weiteren Verlauf zerstört dann das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse. Ein Insulinmangel entsteht, und es gelangt zu wenig Glukose in die Zellen, was zu erhöhten Blutzuckerkonzentrationen führt. Symptome sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit, häufiger Harndrang, starker Durst, Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, trockene und juckende Haut sowie Azetongeruch der Atemluft. Beim Diabetes Typ 2 liegt eine Insulinresistenz der Körperzellen vor, die häufig mit Bluthochdruck und hohen Cholesterinwerten assoziiert ist. Die Bauchspeicheldrüse stellt zwar ausreichend Insulin her, allerdings reagieren die Zellen zunehmend unempfindlich auf das Hormon – bis sie schließlich überhaupt nicht mehr auf Insulin ansprechen. Typische Anzeichen für Diabetes Typ 2 sind schlecht heilende Wunden, trockene oder juckende Haut, vermehrter Durst, Abgeschlagenheit, Infektionsneigung und häufiger Harndrang.
Neben erblichen Faktoren sind es vor allem ungesunde Lebensgewohnheiten, die die Entstehung von Diabetes Typ 2 begünstigen. Welche Risikofaktoren für die Zuckerkrankheit gibt es, und worauf muss man besonders achten, um sie zu entschärfen?
Dr. med. Wormer: Wie schon erwähnt, sind vor allem Bewegungsmangel und Übergewicht bzw. schlechte Ernährungsgewohnheiten wichtige Risikofaktoren für Diabetes Typ 2 – der ungesunde moderne Lebensstil! Man sollte also definitiv sein Gewicht im Auge behalten, Sport treiben und auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung achten.
Studien haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Vitamin-Mangel und Diabetes besteht. Welche Vitamine sollte man besonders im Auge behalten?
Dr. med. Wormer: Im Grunde sollte immer eine gute Vitaminversorgung gesichert sein – das gilt für gesunde Menschen ebenso wie für Risikopatienten oder Diabetiker! In Bezug auf Diabetes vermitteln vor allem optimale Vitamin-D- und Vitamin-C-Spiegel günstige Wirkungen. Ein Mangel an diesen beiden Vitaminen fördert die Entstehung von Diabetes nachweislich und erschwert die erfolgreiche Behandlung.
Bei der Behandlung des Diabetes spielt die medikamentöse Therapie mit Insulin eine wichtige Rolle. Welche verschiedenen Behandlungsformen gibt es hier?
Dr. med. Wormer: Typ-1-Diabetes wird unmittelbar nach der Diagnose mit Insulin behandelt. Insulintherapien ersetzen hier fehlendes körpereigenes Insulin. Bei Typ-2-Diabetikern sollte vor der Anwendung von oralen Antidiabetika der Versuch unternommen werden, den Stoffwechsel durch gezieltes Bewegungstraining, gesunde vollwertige Ernährung und Gewichtsreduktion in den Griff zu bekommen – und in den meisten Fällen gelingt dies auch! In manchen Fällen muss die Insulinproduktion des Körpers allerdings trotzdem durch eine Insulintherapie ergänzt werden. Die relativ strikte konventionelle Insulintherapie (CT) wird überwiegend bei Typ-2-Diabetikern verordnet. Für Typ-1-Diabetiker sollte sie nur im Ausnahmefall vorübergehend benutzt werden. Darüber hinaus gibt es verschiedene Formen der intensivierten Insulintherapie (ICT). Für Typ-1-Diabetiker wird diese Therapie nur phasenweise empfohlen. Die Kombinationstherapie mit Insulin und oralen Antidiabetika (BOT) wird bei Typ-2-Diabetikern eingesetzt, die morgens überhöhte Nüchternwerte haben.
Da ein schlecht eingestellter Blutzuckerspiegel zu Komplikationen und Folgeerkrankungen führen kann, gehört auch die Verlaufskontrolle zur ganzheitlichen Gesundheitsstrategie. Welche Werte werden regelmäßig überprüft?
Dr. med. Wormer: Alle drei Monate sollte eine Kontrolluntersuchung durchgeführt werden, bei der die Blutzucker- sowie HbA1c-Werte – das ist eine bestimme Form des Blutfarbstoffs Hämoglobin – geprüft werden. Zudem werden Blutdruck, Körpergewicht und BMI, also der Body Mass Index, sowie der Zustand der Füße kontrolliert. Zusätzlich empfehlen sich je nach Gesundheitszustand mindestens einmal pro Jahr Untersuchungen der Blutfettwerte, Belastungs-EKG, Nierenfunktionstest und ein Besuch beim Augenarzt (Augenhintergrund, Sehvermögen). Außerdem sollte eine sorgfältige Untersuchung beim Zahnarzt erfolgen, um einen Rückgang des Zahnfleischs und Zahnfleischerkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Ausgewogene und gesunde Ernährung ist ein wichtiger Therapiebaustein bei Diabetes. Wie kann man sich als Diabetiker richtig ernähren, und welche Nahrungs- oder Genussmittel sollten unbedingt vermieden werden?
Dr. med. Wormer: Typ-1-Diabetiker dürfen keine Mahlzeit auslassen, sollten Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen und müssen den Kohlehydratgehalt ihres Essen stets im Blick behalten, um die Insulindosis entsprechend anzupassen – gleiches gilt für Typ-2-Diabetiker, die Insulin spritzen. Ich persönlich empfehle die Ernährung nach der LOGI-Methode. Sie hilft dabei, starke Blutzuckerschwankungen und -spitzen zu vermeiden, den Insulinspiegel im Blut relativ niedrig zu halten und Stoffwechselentgleisungen wirksam vorzubeugen. Alkohol sollte möglichst nicht konsumiert werden, da er die Insulinaktivität anregt und ein Risikofaktor für Unterzuckerung ist. Sollte beispielsweise aufgrund eines feierlichen Anlasses doch Alkoholisches getrunken werden, sollten Sie stets etwas dazu essen – z. B. eine Scheibe Vollkornbrot.
Obwohl Diabetes recht gut behandelt werden kann, tun sich viele Betroffene schwer, ihre Erkrankung zu akzeptieren oder ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Wo findet man Unterstützung, um den Umgang mit der Krankheit zu erlernen?
Dr. med. Wormer: Der Erfahrungsaustausch unter Betroffenen ist von großer Bedeutung. Man lernt, mit der Erkrankung besser umzugehen, kann sich gegenseitig stützen, beraten, Rezepte austauschen, vielleicht sogar einen Trainingspartner kennenlernen und vieles mehr. Adressen erhält man beim Arzt oder Diabetesberater, beim Deutschen Diabetiker Bund e. V. oder bei der Deutschen Diabetes-Hilfe.
Buch-Tipp:
Dr. med. Eberhard J. Wormer: Diabetes. Kompakt-Ratgeber (Symptome und Ursachen, Testverfahren und Therapien, Wirksame Selbsthilfemaßnahmen). Mankau Verlag, 1. Aufl. April 2017, Klappenbroschur, 11,5 x 16,5cm, farbig, 127S.,8,99 Euro (D) / 9,20 Euro (A) ISBN 978-3-86374-383-3.
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