KörperResilienz: „Niemals die Anbindung an sich selbst verlieren!“ Interview mit Isabel Scholz
KörperResilienz: „Niemals die Anbindung an sich selbst verlieren!“ Interview mit Isabel Scholz
„Der klassische Resilienz-Ansatz ist ein rein mentaler. Er blendet jedoch aus, dass alle Erfahrungen unseres Lebens Prägungen in unserem autonomen Nervensystem hinterlassen haben, das im Körper verortet ist. Wenn wir lernen, unseren Körper von innen heraus wahrzunehmen, dient er uns als innerer Kompass und schenkt uns ein gesundes Selbstgespür, das uns auch in schwierigen Situationen hilft, bei uns zu bleiben und uns nicht im Außen zu verlieren.“ Personal Trainerin und Firmencoachin Isabel Scholz, Autorin des Ratgebers „KörperResilienz“, nutzt in ihrem neuartigen Resilienz-Ansatz die heilsame Verbindung von Körper und Psyche, indem die ganzheitliche Wahrnehmung – das heißt auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene – geübt und vertikal miteinander verknüpft wird.
Seit einiger Zeit ist überall – von der Lebenshilfe über die Medizin bis hin zur Unternehmensberatung – von Resilienz die Rede. Woher kommt das Konzept, und was versteht man eigentlich darunter?
Isabel Scholz: Resilienz ist das sogenannte „Immunsystem unserer Seele“. Je resilienter ein Mensch ist, umso besser kann er psychisch mit Stress, Problemen oder Krisen umgehen. Und gerade die aktuelle Zeit zeigt uns, wie wichtig diese Bewältigungskompetenz ist. Sie wurde in den 50er-Jahren durch die amerikanische Psychologin Prof. Emmy E. Werner erforscht. Diese fand heraus, dass etwa ein Drittel der Erwachsenen, die als Kind belastenden Krisensituationen ausgesetzt waren, dennoch ein ausgeglichenes und glückliches Leben führen konnten. Diese Menschen hatten also offensichtlich eine psychische Stärke, die sie zufriedener und stabiler durch ihr Leben gehen ließ als andere. In seiner ursprünglichen Bedeutung kommt der Begriff „Resilienz“ übrigens aus der Werkstoffkunde, in der er die Fähigkeit eines Materials beschreibt, nach seiner Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzufinden. Ein Schwamm hat demnach eine größere Resilienz als ein Klumpen Ton. Und ein Mensch, der immer wieder in seine Form zurückfindet, hat laut der oben erwähnten Studie sieben seelische Schutzfaktoren verinnerlicht, die heute als die „Sieben Schlüssel der Resilienz“ bezeichnet werden: Akzeptanz, Optimismus, der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit, Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben, Lösungsorientierung, Zukunftsorientierung und positive soziale Kontakte.
In Ihrem Buch setzen Sie sich intensiv mit dem „klassischen“ Resilienz-Konzept auseinander und setzen diesem die ganzheitliche „KörperResilienz“ entgegen. Was fehlt an den bisherigen Methoden, und wodurch zeichnet sich Ihr neuer Ansatz aus?
Isabel Scholz: Der klassischer Resilienz-Ansatz ist ein rein mentaler Ansatz. Er besagt, dass man sich über die richtigen Gedanken (Stichwort „Mindset“), die sich an den oben genannten Schlüsselfaktoren orientieren, gut durch Probleme und Krisen hindurchsteuern kann. Lapidar gesagt: „Denke positiv, und dein Leben wendet sich zu Guten!“ Leider gibt es aber viele Zusammenhänge, in denen uns der Kopf und die Gedanken alleine nicht weiterhelfen können. Das liegt unter anderem daran, dass unsere Kindheit und alle Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben, Prägungen in unserem autonomen Nervensystem hinterlassen haben, an die man mental nicht herankommt. Dafür können Sie sich einen Menschen vorstellen, der Flugangst oder Angst vor Hunden hat. Wenn Panik, Angst oder Stress hochkommt, helfen alle positiven Gedanken nichts mehr. Er ist vielleicht nicht mal mehr in der Lage, überhaupt positiv zu denken. Grund dafür ist, dass die Blockade entwicklungspsychologisch nicht im Kopf sitzt, sondern im Körper, wo das autonome Nervensystem verortet ist. Dies blendet der klassische Resilienz-Ansatz aus. „KörperResilienz“ ist mein Methoden-Mix, der Teile der Körperpsychotherapie und der körperorientierten Prozessarbeit nach Arnold Mindell integriert. Wie der Name schon sagt, spielen hier der Körper und seine Wahrnehmung eine entscheidende Rolle. Zusätzlich dazu fließen Elemente der Polyvagal-Theorie mit ein, die über bestimmte Körperübungen den Vagusnerv, der auch Selbstheilungsnerv genannt wird, positiv stimulieren und so beruhigende, stabilisierende Signale ins Nervensystem senden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass über die „Datenautobahn“ des Vagusnervs 20 Prozent der Nervenbahnen vom Kopf in den Körper, aber 80 Prozent in umgekehrte Richtung vom Körper nach oben Richtung Gehirn fließen. Die Kraft aus dem Körper ist also rein biologisch viermal größer als die Kraft aus den Gedanken! Ein entspanntes autonomes Nervensystem schickt somit auch Entspannung „nach oben“ und beruhigt dadurch den Geist.
„KörperResilienz“ bietet eine lebensnahe und authentische Mischung aus persönlicher Erfahrung, bewährten Methoden und praktischen Übungen. Was hat Sie zu Ihrem Buch motiviert, und welche Leser und Leserinnen wünschen Sie sich?
Isabel Scholz: Ich musste in meinem Leben selbst durch einige äußere und innere Krisen gehen. Ob Beziehungskrisen, eine Jobkrise und auch eine Lebens- und Sinnkrise, alles hat mich unaufhörlich danach suchen lassen, was mich wirklich glücklich und zufrieden macht. Ich war jahrelang auf der Suche nach der Antwort auf die Fragen: „Wie komme ich bei mir selbst an, und wie lebe ich wirklich mein Leben? Ein Leben, von dem ich mich nicht im Urlaub erholen muss?“ Auf meinem Weg habe ich sehr viele Methoden kennengelernt und ab dem Zeitpunkt, an dem ich mich entschieden habe, selbst als Trainerin und Coach zu arbeiten, auch an andere Menschen weitergegeben. Hierbei hat sich immer mehr herauskristallisiert, was den Menschen (mich natürlich eingeschlossen) wirklich und vor allem nachhaltig hilft. Aus dieser Beobachtung heraus ist der Wunsch in mir entstanden, erstens die in meinen Augen wirksamsten Teile der Methoden miteinander zu verknüpfen und zweitens mit dieser neuen Mischung dann über mein Buch und meine Geschichte auch andere Menschen zu inspirieren. Sowohl in Bezug auf innere als auch äußere Krisen. Ich möchte damit alle ansprechen, die sich, einfach ausgedrückt, nach einem Leben in Glück und Zufriedenheit sehnen. Aber auch Menschen, die gut gerüstet durch schwere Zeiten kommen und sogar daran wachsen möchten.
Ihre ganzheitliche Methode integriert den Innenraum unseres Körpers als Sinnesorgan und zeigt auf, wie er funktioniert, wie er erspürt und genutzt werden kann. Wie muss man sich das praktisch vorstellen, und was kann damit bewirkt werden?
Isabel Scholz: Wie stellen Sie fest, dass Sie Durst oder Hunger haben? Wie meldet sich Ihr Körper, um Ihnen dieses Bedürfnis aufzuzeigen? Vermutlich spüren Sie, dass Ihr Hals trocken ist oder Ihr Magen knurrt. In unserem Körper entstehen Signale, Regungen, die wir wahrnehmen können und dann wissen, „was zu tun ist“. Nämlich zu trinken oder zu essen. Wenn wir es schaffen, unseren Körper auch in anderen Zusammenhängen von innen heraus wahrzunehmen und zu spüren, was unsere Bedürfnisse, Impulse und die dazugehörenden Emotionen sind, dann gibt uns dies Orientierung für eine gesunde Neuausrichtung. Sozusagen einen inneren Kompass, der uns hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen oder so zu handeln, dass es uns entspricht und guttut. So entwickelt sich ein gesundes Selbstgespür, welches uns auch in schwierigen Situationen hilft, bei uns zu bleiben und uns nicht im Außen zu verlieren. In meinem Buch beschreibe ich anhand eines Stufenmodells, wie man nach und nach dieses Selbstgespür üben und entwickeln kann.
Resilienz im Sinne von Widerstandskraft kann oft auch dahingehend verstanden werden, schwierige Situationen einfach auszuhalten und bestehende Verhältnisse zu erhalten, anstatt sich selbst und sein Leben zu verändern. Wie unterscheidet sich die „KörperResilienz“ von bloßer Systemkompatibilität?
Isabel Scholz: Diese Frage freut mich sehr! Und zwar weil ich selbst in der Vergangenheit eine Meisterin der Anpassung war im Sinne von „Wie muss ich sein, dass andere mich mögen bzw. dass ich nicht aus dem gesellschaftlichen oder unternehmerischen Rahmen falle?“ oder auch „Ich bin ja flexibel, ich passe mich an!“ Dabei habe ich regelmäßig meine Bedürfnisse weggedrückt und mich dann irgendwie wieder in das System eingefügt, das mich zuvor krank gemacht hatte. Und das ist es, was ich leider gerade auch bei Menschen in Unternehmenskontexten, in denen ich unterwegs bin, immer wieder beobachten muss. Nach einer persönlichen Krise, einem Burnout oder einer Überlastung wird zwar eine Auszeit genommen, aber danach oft versucht, den Menschen wieder irgendwie ins System „zurückzudrücken“. Mit der richtigen Geisteshaltung, dem Mindset soll sich dann angeblich alles besser aushalten lassen. Davon distanziere ich mich explizit! KörperResilienz sorgt dafür, dass Menschen wachsen, indem sie zu sich selbst und ihrem authentischen Wesen (zurück-)finden, um damit dann wieder in die Welt zu gehen und niemals die Anbindung an sich selbst zu verlieren. KörperResilienz richtet sich nicht nach dem Außen, sondern richtet sich das Außen! So entsteht Ausgeglichenheit, und das Leben fühlt sich wieder echt an.
Seit vielen Jahren begleiten Sie als Coach und Trainerin Menschen und Unternehmen in schwierigen Situationen. Was unterscheidet bspw. die Arbeit mit Burn-out-Patienten von Firmen in einer Krise? Was haben sie gemeinsam? Und welche Form von Resilienz wird hier jeweils verlangt?
Isabel Scholz: Eine Krise verschwindet nicht, indem man sie totschweigt. Ich stelle immer wieder fest, dass sowohl Unternehmen als auch Menschen erst dann die Energie für einen Veränderungsprozess aufwenden, wenn sie schon längst mit dem Rücken zur Wand stehen. Oft verschließt man die Augen vor allen Anzeichen, die zuvor schon darauf hindeuten, dass das System krankt bzw. kollektiv erschöpft ist. Im Unternehmen sinkt die Produktivität innerhalb der Prozessabläufe, Mitarbeiter sind durch mangelnde Ressourcen oder Zeitdruck am Rande ihrer Kraft, resignieren oder tragen eine innere Kündigung mit sich herum. Meine erste Aufgabe als Beraterin ist es, dies in das Bewusstsein aller Beteiligten zu holen, also sichtbar zu machen. Auch wenn dies unangenehm ist, ist es doch notwendig, um die Ursachen beheben zu können, anstatt am Symptom rumzudoktern. In diesem Punkt stecken die Lernaufgabe und ein enormes Wachstumspotenzial. Sowohl für ein Unternehmen als auch einen Menschen. Der Mensch, der sich im Burn-Out befindet, ist an einem seiner tiefsten Punkte angekommen. Dies gilt es sich für die persönliche Entwicklung zunutze zu machen. Wenn die im Nervensystem verankerten Prägungen aufgelöst werden, kann der Mensch wieder auf seine innere Kraft zugreifen. Dazu wird die heilende Verbindung von Körper und Psyche hergestellt, indem die ganzheitliche Wahrnehmung, das heißt körperlich, emotional und mental, geübt und vertikal miteinander verknüpft wird. Wobei die mentale Ebene in der KörperResilienz immer dazu dient, das zu verstehen, was sich auf der körperlichen und emotionalen Ebene zeigt. Und diese vertikale Wahrnehmung ist auch in Unternehmen notwendig, die am Ausbrennen sind: Die körperliche Ebene entspricht hier den Mitarbeitern, die emotionale Ebene dem sozialen System, somit den Beziehungen, und die mentale Ebene entspricht der Managementebene, die von oben steuert. Die vertikale Wahrnehmung, Kommunikation und die gesunde Verknüpfung dieser drei Ebenen sind auch hier der erste Schritt heraus aus dem Unternehmens-Burn-out. Zusammengefasst begreife ich deshalb meine Arbeit auch als Bewusstseinsarbeit.
Sie machen deutlich, dass es nicht um esoterisch angehauchte Selbstoptimierung geht – trotzdem hat „KörperResilienz“ auch etwas mit Spiritualität zu tun. Worin besteht hier der Zusammenhang?
Isabel Scholz: Gerade in den sozialen Medien drängt sich mir beim Durchscrollen der Eindruck auf, dass Persönlichkeitsentwicklung eine Art Hype geworden ist, der eher einem Selbstoptimierungswahn gleicht als einer authentischen Suche nach dem eigenen Sinn. Wir werden von konsumorientierter Chaka!-Chaka!-Mentalität und falsch verstandener Spiritualität dazu gedrängt, auf einer oftmals narzisstisch geprägten Showbühne künstlich zu glänzen. Das hat in der KörperResilienz nichts zu suchen. KörperResilienz knüpft an den sogenannten Wesenskern an und agiert aus ihm heraus. Es ist ein „Von innen nach außen“, nicht umgekehrt. Es geht darum herauszufinden, was für das eigene Wesen von Bedeutung ist. Und hier entsteht die Verbindung zu etwas Größerem, von dem wir Teil sind. Wie sind wir gedacht? Warum sind wir auf der Erde? Was ist die Aufgabe eines jeden einzelnen? Der Begriff „Sünde“ bedeutet in seinem religiösen Ursprung die „Abkehr von Gottes Willen“. Der Wille, der sich durch unser Wesen ausdrückt. Wer sich nicht um seinen Wesenskern kümmert, versündigt sich an sich selbst und fängt an, innerlich zu ver-wesen. Durch KörperResilienz kann der Körper als „spirituelles Empfangsgerät“ genutzt werden, als Resonanzkörper für Geistiges und den Willen, der durch uns geschehen will.
Buch-Tipp:
Isabel Scholz: KörperResilienz. Kopf und Körper in Einklang bringen: So erreichst du Ruhe, Stabilität und Widerstandskraft. Mankau Verlag, 1. Aufl. November 2022, Klappenbroschur, 13,5 x 21,5 cm cm, 239 Seiten, 18,00 Euro (D) / 18,50 Euro (A), ISBN 978-3-86374-667-4
Link-Empfehlungen:
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