Interview mit Prof. Gerhard und Dr. Rias-Bucher: „Unsere Myom-Diät basiert auf pflanzlichen Lebensmitteln“
Interview mit Prof. Gerhard und Dr. Rias-Bucher: „Unsere Myom-Diät basiert auf pflanzlichen Lebensmitteln“
„Natürliche Heilmethoden haben ihren Platz dann, wenn die Patientin bereit ist, durch Veränderung ihres Lebensstils bei der Verkleinerung der Myome mitzuhelfen. Dann kann sie durch eine optimierte Ernährung (…) dafür sorgen, dass weniger Östrogen in ihrem Körper zirkuliert und mehr Progesteron produziert wird.“ Im Interview erklären die Frauenheilkunde-Medizinerin Prof. Dr. Ingrid Gerhard und die Ernährungsexpertin Dr. Barbara Rias-Bucher, beide Autorinnen des Ratgeber-Buches "Myome selbst heilen", was Myome sind, wie sie entstehen, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt - und wie eine ideale "Myom-Schrumpfkur" aussehen sollte.
Myome sind die häufigsten gutartigen Tumoren bei Frauen zwischen der Pubertät und den Wechseljahren. Wodurch entstehen sie, und was sind die Symptome?
Prof. Gerhard: Über die eigentliche Ursache von Myomen weiß man wenig. Es gibt sicher genetische Ursachen, denn sie können in manchen Familien häufiger auftreten und sind bei afrikanischen Frauen häufiger als bei europäischen. Die Tatsache, dass sich Myome in der geschlechtsreifen Phase der Frau entwickeln, spricht dafür, dass die weiblichen Hormone eine Rolle spielen. Man kann in der Regel eine Dysbalance zwischen Östrogenen und Progesteron feststellen. Am deutlichsten ist dies an der Myomzelle selbst zu erkennen, die mehr Östrogenrezeptoren aufweist als eine gesunde Zelle. Weitere Wachstumsfaktoren sind bekannt, wie sie bspw. bei Übergewicht und einem gestörten Zuckerstoffwechsel auftreten.
Die häufigsten Symptome sind Blutungsstörungen, oftmals mit Schmerzen verbunden. Je nach Anzahl, Lage und Größe der Myome kann die Frau über Blasendruck mit Harndrang klagen, über Kreuzschmerzen, Schwierigkeiten beim Stuhlgang, aufgeblähten Leib und Beschwerden beim Geschlechtsverkehr. Auch Fehlgeburten oder unerfüllter Kinderwunsch können mit Myomen zusammenhängen.
Das Risiko einer kanzerogenen Entartung gibt es bei Myomen praktisch nicht, dennoch empfehlen Sie regelmäßige Kontrollen, um Folgeerkrankungen zu vermeiden. Welche sind dies, und wann ist eine OP zu empfehlen?
Prof. Gerhard: Man sollte die Myome nicht zu groß werden lassen, denn umso schwieriger werden die operativen Möglichkeiten. Bei jeder Frau können die Myome eine andere Wachstumsgeschwindigkeit haben, die sich kaum voraussagen lässt; deshalb sind regelmäßige Kontrollen ganz wichtig. Besonders bei Frauen mit Kinderwunsch ist es wichtig, frühzeitig etwas gegen die Myome zu unternehmen. Zwar sind Myome nicht unbedingt ein Hindernis für eine Schwangerschaft, aber je nach Größe und Lokalisation können sie doch zu Einschränkungen der Fertilität und erhöhten Risiken in der Schwangerschaft führen. Wenn Myome Blutungsstörungen verursachen, sollte der Eisenspiegel regelmäßig kontrolliert werden – auch wenn Eisen eingenommen wird –, damit er nicht zu weit absinkt.
Eine OP ist immer dann zu empfehlen, wenn der Leidensdruck stark ist, die Funktion der umliegenden Organe beeinträchtigt wird und damit zu rechnen ist, dass es vor der Menopause nicht zu einem Wachstumsstillstand kommt.
Welche konventionellen Therapien gibt es zur Behandlung von Myomen, und wie können natürliche Heilmethoden bei der Vorbeugung und Bekämpfung eingesetzt werden?
Prof. Gerhard: Zunächst gibt es die hormonelle Therapie: Das Ungleichgewicht zwischen dem Zuviel an Östrogen und Zuwenig an Progesteron lässt sich ausgleichen, indem man Gestagene verabreicht. Auch die Langzeiteinnahme einer Pille kann das Wachstum bremsen. Viele Frauen können ihre Blutungsstörungen auch mit der Hormonspirale in den Griff bekommen. Große Hoffnungen wurden auf Ulipristalacetat (Esmya) gesetzt, einen selektiven Progesteronrezeptor-Modulator. Dieses Medikament wurde anfangs nur vor einer geplanten OP eingesetzt, später jedoch auch zur Dauertherapie zugelassen. Darunter kam es bei einigen Frauen zur Verkleinerung der Myome und zur Verringerung der Blutungen. Momentan sollen jedoch keinen neuen Patientinnen damit behandelt werden, weil die Möglichkeit von Leberschädigungen besteht. Helfen die hormonellen Therapien nicht, dann gibt es viele unterschiedliche operative Methoden, um einzelne Myome oder die ganze Gebärmutter zu verkleinern oder zu entfernen.
Natürliche Heilmethoden haben ihren Platz dann, wenn die Patientin bereit ist, durch Veränderung ihres Lebensstils bei der Verkleinerung der Myome mitzuhelfen. Dann kann sie durch eine optimierte Ernährung, wie unten ausgeführt wird, dafür sorgen, dass weniger Östrogen in ihrem Körper zirkuliert und mehr Progesteron produziert wird. Durch eine Normalisierung des Zuckerstoffwechsels kann sie selbst die schädlichen Wachstumsfaktoren bremsen. Auch Pflanzenheilmittel, die den Hormonstoffwechsel und die Blutungen der Frau beeinflussen, sind dann hilfreich. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass hochdosierter Grünteeextrakt (Epigallokatechin) zu einer Bremsung des Myomwachstums eingesetzt werden kann. An der Charité in Berlin läuft zurzeit die Rekrutierung von Patientinnen mit Myomen für eine Studie, die die Wirksamkeit überprüfen soll.
Selbstverständlich kann auch die Traditionelle Chinesische Medizin Erfolge verbuchen. An der Frauenklinik in Heidelberg haben wir außerdem bei homöopathischen Behandlungen eine Schrumpfung von Myomen feststellen können, wenn sie sich relativ neu entwickelt hatten und noch unter 4 cm maßen.
Natürliche Heilmethoden haben auch ihre natürlichen Grenzen: Wenn es sich um große, schon sehr lange bestehende, teilweise schon verkalkte Myome handelt, wird es mit der Schrumpfung schwierig bis unmöglich – aber das Wachstum neuer Myome kann in jedem Fall eingeschränkt werden.
Myome entstehen durch ein Zuviel an Östrogen und ein Zuwenig an Progesteron. Muss hier auf Pillen und Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen werden, oder können auch natürliche Produkte das Ungleichgewicht der Hormone ausgleichen?
Dr. Rias-Bucher: Das Ungleichgewicht zwischen dem Östrogenüberschuss und dem Progesteronmangel lässt sich durch eine Reihe pflanzlicher Heil- und Lebensmittel mildern und sogar beheben. Dazu gehören Frauenkräuter wie Schafgarbe und ganz übliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Gemüse, Obst, Leinsamen oder Oliven. Seit Jahren weiß man nämlich, dass Vegetarierinnen und Frauen in Ostasien kaum unter hormonell bedingten Frauenbeschwerden leiden. Ursache sind Phytoöstrogene, Bioaktivstoffe aus der großen Gruppe der Polyphenole, die eine ähnliche Struktur aufweisen wie unsere Östrogene. Über komplexe körpereigene Mechanismen beeinflussen sie den Hormonhaushalt positiv und regen – anders als unsere körpereigenen Hormone – das Wachstum von Myomen nicht an.
Gerade in relativ frühen Stadien besteht die Chance, das Myom-Wachstum durch eine bestimmte Lebensweise und passende Ernährung zu bremsen. Ist das eine neue Idee, oder gibt es bereits bewährte Rezepte, die den betroffenen Frauen bekannt vorkommen werden?
Dr. Rias-Bucher: Wir empfehlen vollwertige, vitalstoffreiche Ernährung mit Lebensmittelvielfalt und Nährstoffdichte. Dieses Ernährungskonzept wurde in den 1980-er Jahren an der Universität Gießen und von der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) entwickelt. Seither haben sich unsere Essgewohnheiten gewandelt und in vielerlei Hinsicht diesem Vollwertprinzip angepasst. Viele Menschen sparen mit tierischen Produkten und bevorzugen unverfälschte, natürliche Lebensmittel aus heimischem Anbau, kaufen Gemüse, Salat und Obst frisch nach saisonalem Angebot und wählen dabei so oft wie möglich Bio-Produkte.
Die richtige Ernährung ist ein wesentlicher Teil der Selbsthilfe bei Myomen. Auf welche Lebensmittel sollte man dabei verzichten, welche gehören hingegen bei der „Myom-Schrumpfkur“ auf den Speiseplan?
Dr. Rias-Bucher: Unsere Myom-Diät basiert ebenso wie die moderne Mischkost auf pflanzlichen Lebensmitteln. Das hat zwei Gründe: Erstens werden Myome durch pflanzliche Lebensmittel nicht stimuliert. Zweitens decken diese ein ganzes Spektrum an Substanzen ab, die bei Myomen sowohl präventiv als auch heilend wirken können: Bioaktivstoffe wie Phytoöstrogene, Antioxidantien und Präbiotika, dazu pflanzliche Proteine und Fette sowie vorwiegend basische Lebensmittel. Bevorzugen Sie also unverfälschte, natürliche, frische und saisonale Lebensmittel aus heimischem Anbau und essen Sie lieber Vollkorn- statt Weißmehlprodukte. Eier, Fleisch, Fisch und Schinken oder Milchprodukte und Süßes sind bei der Myom-Diät zwar nicht verboten, sollten aber nur in kleinen Mengen ein- bis zweimal pro Woche genossen werden. Und das meine ich wörtlich: Ab und zu genießen ist in Ordnung, einfach drauflos futtern dagegen keine gute Idee!
Viele Betroffene sind an Fast Food oder Hausmannskost mit reichlich tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst, Schinken, Eier und Käse gewöhnt. Wie gelingt der Umstieg auf eine vollwertige und pflanzenbasierte Ernährung am besten?
Dr. Rias-Bucher: Gehen Sie es behutsam an, denn der Organismus muss sich an das neue Essen gewöhnen: Beginnen Sie mit mindestens einem vegetarischem oder veganen Gericht pro Tag, das Sie aus den Kapiteln unseres Buches wählen – ob morgens, mittags oder abends, spielt erst mal keine Rolle. Steigern Sie dann das Quantum im Wochenrhythmus, bis Sie sich drei Tage in der Woche ganz vegetarisch ernähren. Essen Sie zu Beginn der Myom- Schrumpfkur nur Mini-Portionen von Rohkost. Gewürfelte Tomaten, hauchfein aufgeschnittene Gurken, geraspelte Möhren und Zucchini, Fenchel in feinen Scheibchen tun Ihnen gut, weil alle diese Gemüse zwar Ballaststoffe liefern, aber nicht blähen.
Neben der Ernährungsumstellung empfehlen Sie besonders die Phytotherapie bei jeder Myombehandlung. Welche pflanzlichen Heilmittel sind hier sinnvoll, und woher kann man diese bekommen?
Dr. Rias-Bucher: Auch hier steht uns ein ganzes Spektrum zur Verfügung. Erstens wählt man Phytopharmaka, die den Hormonspiegel ausgleichen: Schafgarbe und Hirtentäschel enthalten hormonähnliche Substanzen, die das Wachstum von Myomen reduzieren oder ganz unterbinden. Diese Phytoöstrogene besetzen einen Teil der Rezeptoren, an denen normalerweise das Östrogen andockt. So erhält die Hypophyse die Meldung, dass der Hormonspiegel im Lot ist. Zweitens setzt man gerbstoffhaltige Pflanzen wie Frauenmantel, Blutwurz und Wiesenknopf ein, die Blutungen verhindern oder sogar stillen, damit es nicht zur Folgeerkrankung Anämie kommt. Drittens sind Salicylsäureverbindungen in Weidenrinde und Mädesüß wie auch Phenolsäuren und Flavonoide in Brennnesseln wirksame Schmerzstiller, Cumarine in Gänsefingerkraut, Bitterstoffe in Frauenmantel und Schafgarbe helfen bei Krämpfen im Unterleib. Alle Pflanzenheilmittel bekommen Sie in der Apotheke, und in unserem Buch finden Sie Rezepte für Teemischungen und Tipps für bestimmte Präparate.
Buch-Tipp:
Prof. Dr. Ingrid Gerhard & Dr. Barbara Rias-Bucher: Myome selbst heilen. Richtig ernähren – die natürliche Alternative zu Pillen und OPs. Mankau Verlag 2018, Flexobroschur, 16,8 x 24 cm, 174 Seiten, 18,90 Euro (D) / 19,50 Euro (A), ISBN 978-3-86374-458-8.
Link-Empfehlungen:
Mehr Informationen zum Ratgeber-Buch "Myome selbst heilen"
Zur Leseprobe im PDF-Format
Mehr über die Autorin Prof. Dr. Ingrid Gerhard
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